Siavash Kasrai
Heute gingen
unsere redlichen Nachbarn fort
Leute, die sich fernhielten von Tageslärm
Notgedrungen verließen sie die Stadt ihrer
Kindheit, ihrer Jugend, ihre Arbeit
Die Stadt ihrer Wurzeln
Ließen all ihre Erinnerungen zurück
Sie gingen
mit einer Last von gebrochenen Herzen
mit einem oder zwei Sesseln
mit dem Schlafzeug, einem Teppich, dem Hausrat
manche mit verhaltenem Schluchzen
und unter den Tränen der Kinder
Den ganzen Tag über
wirbelten die Reifen der Wägen
Immer noch hallt die bittere Abschiedsmelodie
in meinem Inneren nach
Heute Nacht sind die leeren Wohnungen
unserer Nachbarn
grabesdüster.
Die dunklen Fenster
wie traurige Augen
ersticken in uns die Freude
an früheren hellen Tagen
Zeitig verstößt die viel beschäftigte Stadt
ihre großgezogenen Kinder
ohne Schmerz, ohne Brandmal
Ein Leben lang aufbauen
dann alles zurücklassen und gehen
um einiger Lappalien willen?
Absurd!?
Was ist los mit der Welt,
dass auf all ihren Straßen
Vertreibung und Obdachlosigkeit herrschen?
Moskau, Sommer 1993
Deutsche Übersetzung von Nahid Bagheri-Goldschmied